Prof. Dr. Koziol - Nachhaltiges Investieren: Der Boom der grünen Anlagen
07.05.22 | Nachhaltig investieren: Tue Gutes und werde reich - wenn es bloß so einfach wäre
Prof. Dr. Christian Koziol, Finanzwirtschaftler an der Eberhard Karls Universität Tübingen, beobachtet den Boom im Markt mit den grünen Anlagen kritisch: „Die Werbung vieler Asset-Manager verspricht den Anlegern, 'mit unseren nachhaltigen Produkten könnt ihr die Welt verbessern und überdies höhere Renditen erzielen' – doch so simpel ist das nicht.“
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Die Experten von PwC schätzen, dass das Volumen der nach nachhaltigen Kriterien verwalteten Anlagegelder in Europa innerhalb von fünf Jahren von knapp einer auf fast vier Billionen Euro steigen wird. Viele Vermögensverwalter wittern hinter diesem Wachstum das große Geschäft, wollen ihren Teil vom Kuchen und versprechen den Anlegern daher deutliche Überrenditen. Doch die sind so noch lange nicht ausgemacht, meint Finanzexperte Prof. Koziol von der Uni Tübingen.
Mit seiner Kritik ist der Akademiker in guter Gesellschaft. Unlängst sorgte Tariq Fancy, der einstige Chef des grünen Investierens bei Blackrock, dem größten Asset-Manager der Welt, mit der Aussage „nachhaltiges Investieren bringt nichts“ für Aufsehen. Öko-Anlagen bekämpfen den Klimawandel in der realen Welt nicht, sagte er. Wer statt der Aktie eines Ölkonzerns ein Papier des E-Autoherstellers Tesla kaufe, trage damit noch lange nichts zur Senkung der Treibhausgas-Emissionen bei.
Konkret geht es um den Begriff der ESG – der steht für Environmental, Social and Corporate Governance – also für Umweltschutz, soziale Verantwortung und ordentliche Unternehmensführung. Das Konzept klingt einfacher, als es ist, denn es gibt bislang keine verlässlichen Standards, was ESG im Idealfall eigentlich beschreibt. Zwar finden sich Nachhaltigkeitsratings von verschiedenen Anbietern, doch haben diese unterschiedliche Schwerpunkte und divergierende Gewichtungen. Ein Unternehmen kann also in einem Rating, das auf Klimaschutz achtet, gute Werte erzielen und in einer anderen Analyse, die soziale Aspekte misst, schlechte Noten bekommen.
Hinzu kommt: Ein Unternehmen mag ein hoch soziales Umweltprodukt und gutes Management haben, trotzdem wollen viele Leute dort nicht investieren, weil andere Teile des Konzerns Produkte herstellen, die weder gesund noch nachhaltig sind. „Dann brauche ich weitere Kriterien“, sagt Prof. Koziol, „vielleicht die Frage nach Corporate Responsiblity Investments, wie sozial verantwortlich investiert so ein Konzern? Oder ich untersuche das Thema Controversy – gibt es Altlasten? Ist das Unternehmen vielleicht in viele Gerichtsverfahren verwickelt?“
Zudem stellt Prof. Koziol die These in Frage, dass ESG-konforme Unternehmen für die Zukunft besser aufgestellt sind und die Märkte das auch honorieren. „Langfristig betrachtet kann ein Investor dann hohe Renditen verlangen, wenn er bereit ist, dafür einen Nachteil in Kauf zu nehmen. Beispielsweise muss er höhere Risiken akzeptieren oder Illiquidität. ESG ist aber kein Nachteil, sondern ein Vorteil.“ Der derzeitige Hype sei gewaltig und viele Unternehmen mit guten ESG-Ratings hätten den Kursprung kurzfristig schon erzielt, sagt er. „Da noch langfristig von ESG-Investments eine überdurchschnittliche Rendite zu erwarten, kann trügerisch sein.“
Um seine These zu belegen, vergleicht Prof. Koziol die Performance des deutschen Leitindexes Dax mit dem Dax 50 ESG Index – also mit dem Index, der die 50 deutschen Unternehmen enthält, die nach ESG Kriterien besonders gut dastehen. „Es gibt immer mal wieder Phasen, in denen der Dax 50 ESG besser abschneidet – aber dann gibt es auch wieder Phasen, in denen der herkömmliche Dax besser liegt.“
Auch bei sogenannten Green Bonds sieht es nicht besser aus für die nachhaltigen Anlagen. Die Bundesregierung macht den Vergleich. Sie legt seit einiger Zeit zwei Anleihen parallel auf: Kupon und Laufzeit sind gleich, aber die Grüne Bundesanleihe ist nachhaltig ausgerichtet, ihr konventioneller Zwilling nicht – und so lässt sich das Verhalten der Investoren sowie die Rendite vergleichen. „Da zeigt sich, dass es Investoren gibt, die bereit sind, auf fünf Basispunkte oder 0,05 Prozent Rendite zu verzichten, wenn das Geld dafür Gutes tut“, sagt der Professor. Für den Langfristinvestor sei das allerdings kein nennenswerter Übergewinn.
Ähnlich differenziert muss man laut Prof. Koziol auch den Vorwurf des Greenwashings betrachten – also die Kritik, dass so manch ein Vermögensverwalter Investitionsentscheidungen grüner darstellt als sie es wirklich sind. Eine Studie der NGO Share Action warf vielen Asset-Managern Greenwashing vor – die Reduktion der CO2-Emissionen sei bei vielen Unternehmen, in die unter ESG-Kriterien investiert werde, viel zu gering. „Den Klimawandel aufzuhalten, ist das konkrete Anliegen von Share Action, aber es ist kein allgemeiner Standard.“ Viele Unternehmen engagieren sich aufrichtig und sind davon überzeugt, dass sie etwas leisten in Sachen Umweltschutz und Soziales, aber ein Ausstehender kann diese Bemühungen ganz anders beurteilen – und dann kommt es zu Konflikten, erläutert Prof. Koziol.
Dennoch sei die Gefahr real, den Markt mit überzogenen Behauptungen zu enttäuschen. „Falls im Umfeld eines Unternehmens Themen aufkommen, die nicht zu den ESG-Kriterien passen, kann der Rückschlag enorm sein“, so Prof. Koziol. Das Hauptproblem sei, dass dieses Thema noch in den Kinderschuhen stecke. „Bei Kreditratings wissen wir sofort was los ist, und für was welcher Buchstabe steht, bei den ESG-Ratings ist das jedoch noch längst nicht der Fall.“
Wohin also mit dem Geld, wenn man etwas Gutes tun will? „Alle drei ESG-Kriterien erfüllt kaum ein Unternehmen perfekt“, sagt Prof. Koziol. Weil die Auswahl einzelner Unternehmen so schwierig ist, sei es sinnvoll ganze Indizes abbilden, beispielsweise auf den schon erwähnten Dax 50 ESG oder den Nachhaltigkeitsindex von MSCI World. Solche Indexfonds oder ETFs zu kaufen sei auch günstiger, als einen aktiven Vermögensverwalter zu beauftragen, das Geld entsprechend anzulegen. „Man kann auch direkt in Projekte investieren, beispielweise in Windkraftanlagen. Über Schuldverschreibungen können Kleinanleger auch so aktiv werden“. Oder der Anleger geht zu einer besonders grünen Bank – zum Beispiel die GLS Bank – und eröffnet da ein Konto anstatt bei der Hausbank um die Ecke.
Die Nachfrage nach grünen Anlageformen ist hoch und das Thema wird uns dauerhaft erhalten bleiben, meint der Professor. Auch, weil der Gesetzgeber den Unternehmen inzwischen vorschreibt, dass sie sich am Jahresende zum Thema Nachhaltigkeit äußern müssen.
Sein Fazit: „Für den Anleger ist das grüne Investieren vor allem eine Geschmacksfrage: Lege ich Wert darauf, dass mit meinem Geld etwas Nachhaltiges passiert oder nicht? Aber zu glauben, ich setze auf grüne Anlagen und bekomme so mehr Rendite als mit herkömmlichen Anlagen – so einfach ist die Welt nicht.“
Im Podcast der DIA: Samy Soyah